Ihre Liebe ist wie ein Klumpen Butter


Risikoreiches Experiment: „Amors Psyche“ wirft Fragen über Beziehungsmuster auf.

von Ella Vandré

Ein umgekippter Kühlschrank in einer neogotischen Kirche. Psyche tanzt zu Max Raabe: „And they say she’s so lucky, she’s a star. But she cry-cry-cries in her lonely heart, thinking if there’s nothing missing in my life, why do these tears come at night?” Eine Ecke mit Plüsch-Hirschkopf an der Wand. Ein altmodisches Telefon auf einem Barhocker. „Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin zu schön – fuck!“, jammert Magdalena Gräslund in den Hörer. Am anderen Ende der Leitung – auf der Empore – sitzt Psyches Schwester, deren Mitleid sich in Grenzen hält. „Du bist auf dem besten Weg Besti mit Venus höchst selbst zu werden!“, kreischt sie zurück. Ob Venus das auch so sieht, ist fraglich.

Unter der Regie von Leander Dörr erzählt das Ensemble in der Reformationskirche in Moabit den römischen Mythos von Amor und Psyche durch „Amors Psyche“ neu. Auf Grundlage der Liebesgeschichte zwischen Gott und Mensch untersucht es Beziehungsdynamiken und stellt Fragen nach Traumwelt und Realität. Das Format: Ein risikoreiches Experimentieren im Livestream mit Aufnahmen aus verschiedenen Winkeln der Kirche und Zoom-Calls mit den Göttern. Venus' Gesicht schaut überdimensional groß von einer Wand auf Höhe der Empore herab – mal Wasser, mal Feuer als Stimmungsambiente im Hintergrund. Amor erscheint auf einer Leinwand unterhalb der Empore, zugeschaltet aus einer anderen Kirchennische.

Während Psyche von der Empore herunter in eine Krise stürzt – „ne Psyche Krise“, „ne Krise Psyche“, „ne Psycho-Krise“ –, beauftragt die eifersüchtige Venus, gespielt von Judith Gailer, ihren Sohn Amor, Psyche zu töten. Doch als Ben Engelgeer sein Opfer erblickt, ist er hin und weg von ihrem „wunderschönen… Charakter“ und ihren „ebenmäßigen… Charakterzügen“. Für Psyche wird ein Traum wahr: Sie wird geliebt – und das anscheinend unabhängig von ihrem Äußeren. Doch Amor will sich ihr nicht zeigen. Es entwickeln sich ungesunde Beziehungsgefälle: Zunächst gibt sich Psyche mit dem Gedanken „Deine Gründe werden größer sein als mein Verlangen, dich zu sehen.“ zufrieden. Doch die Sehnsucht wächst. Ihre Liebe ist wie ein Klumpen Butter, von dem sie nur dünne Scheibchen abschneidet. „Du verdienst es, eine dicke Scheibe Butter mit Brot zu essen.“, versichert ihr Amor. Die sieht man im Titelbild.

Es stellen sich Fragen des Besitzes: „Ich will dich immer noch. Das heißt, ich habe dich nicht.“ Hat Psyche Amor lieb? Hat sie ihn hässlich? Hat sie ihn überhaupt? Oder hat er sie? Der Titel impliziert Besitz: „Amors Psyche“. Was bedeutet es, eine Beziehung zu haben? Lebt man nicht viel eher in einer Beziehung?

Schließlich redet sich Amor bei seiner rasenden Mutter heraus. Juppi alias Jupiter „bestraft“ das Paar mit dem Bund der Ehe und füttert Psyche mit der giftgrünen Götterspeise „Ambrosia“. Zum Finale tanzen die Darstellenden zu Rammstein: „Liebe ist für alle da – nicht für mich.“

„Amors Psyche“ wirft Fragen über Beziehungsmuster auf – bespickt mit zahlreichen sprachlichen Spielereien und Anspielungen. Witzig, ästhetisch, vielschichtig – das finden auch die über hundert Zuschauenden. Während des Wartens auf den Stream wird sich im Chat schon über Snacks ausgetauscht und auf die GEZ-Gebühren geschimpft. Nach dem Abspann wimmelt es von applaudierenden Händen.