Alle sollen mittanzen
Im Rahmen der Gesprächsreihe WORAUF WARTEN WIR? des Performing Arts Festivals und Berliner Theatertreffens wird weiter diskutiert. Dieses Mal über das Thema: „Macht- und Diversitätsfragen in den darstellenden Künsten“.
von Sara Rosenkranz
Kulturmacherin und Moderatorin dieser Runde, Tessa Hartig von AfroPolitan Berlin, spricht mit der freien Kuratorin Fatima Çalışkan und Christian Römer von der Heinrich-Böll-Stiftung über Machtverhältnisse und Repräsentationsfragen in der Theaterbranche sowie über die Veränderung der Sprache und alternative Leitungsmodelle.
Einen immer wiederkehrenden Punkt im Gespräch bilden die aktuellen Publikationen von Çalışkan und Römer. Çalışkan hat in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk „Interkultur Ruhr“ und Miriam Yosef als Co-Autorin ein Konzept entwickelt und verschriftlicht, um die interkulturelle (Kunst-)Szene im Ruhrgebiet zu stärken. „Kulturpolitische Handlungsempfehlungen – Interkulturelle Arbeit“ soll als Anstoß für eine Diskussion mit der Politik dienen. Römer ist Teil der redaktionellen Leitung und Co-Autor von „Theater und Macht – Beobachtungen am Übergang“. Das Buch entstand zusammen mit nachtkritik.de anstelle einer Konferenz, die wegen Corona abgesagt werden musste, und vergleicht die Drauf- und Innenansicht der Machtverhältnisse in Theatern.
Laut Çalışkan ist insbesondere in den Bereichen der Sichtbarkeit, Förderung und Netzwerkbildung von beispielsweise BiPoCs noch viel Luft nach oben. Dabei spielt auch die richtige Sprache eine entscheidende Rolle. Nur wenn Begriffe wie Diversität oder Interkulturalität richtig verstanden werden, kann auch Diskriminierung abgebaut werden. Sie erwähnt Begriffe wie „migrantisierte Menschen“ statt „Migrant:innen“, da dadurch Dynamiken und eine gesellschaftliche Verordnungen deutlich werden. In ihrem Text gibt es deshalb ein Glossar zum Nachschlagen von wichtigen Begriffen.
Römer macht darauf aufmerksam, dass sich Theater zwar damit schmückten, divers zu sein, es im Inneren jedoch häufig anders aussähe. „Diversität ist, zur Party eingeladen zu werden; Inklusion ist, gebeten werden mitzutanzen“, zitiert er Vernā Myers. Während es richtig und wichtig sei, dass Theater immer wieder dringliche politische Themen auf die Bühne bringe wie die Klimakrise, lasse sich das Thema Diversität nicht in einer Spielzeit abarbeiten.
Damit eröffnet sich einer der Hauptpunkte der Diskussion: Die genauen Machtverhältnisse und Bedingungen in den Theatern können nicht wirklich besprochen werden, da die relevanten Fakten und Zahlen fehlen. Hierfür soll es Beschwerde- und Vertrauensstellen geben, an die sich Künstler:innen bei Diskriminierung oder Gewalt wenden können. Eine solche Organisation gibt es mit Themis zwar schon, doch auch hier fehlt noch der Übergang zu akuten kulturpolitischen Forderungen. Es braucht einen sicheren Ort, an dem Menschen Unterstützung bekommen, sich weiterbilden können und wo die Umstände dokumentiert werden. Dennoch stellt sich auch hier die Machtfrage: Wer wird solche Stellen leiten?
Wer hat generell die Macht in dieser Debatte? Wer bringt Menschen ans Theater, damit es divers und gerecht wird? Laut Çalışkan liegt das Machtmonopol im Theater noch bei weißen Akademikern und das wird sich vermutlich in den nächsten Jahren nicht vollkommen ändern. Dabei sei es aber auch wichtig, so Römer, in die existierenden Strukturen neue institutionalisierte Wege einzubauen. Vor allem kleinere Häuser arbeiten schon häufiger in Teams und mit alternativen Leitungsmodellen, um Machtmissbrauch entgegenzuwirken. Dabei erwähnt Römer, dass Teamarbeit mehr Arbeit bedeutet, weil es einen ständigen Austausch gibt. Aber es ist eine Arbeit, die gemacht werden muss, um besonders in der Theaterbranche angemessene Arbeitsverhältnisse und mehr Diversität zu schaffen.
Im Kern sind sich Çalışkan und Römer einig: Auch wenn sich in den letzten Jahren schon einiges getan hat, steht die Debatte noch immer erst in den Startlöchern. Es reicht nicht aus, wenn Theater Diversität als Aushängeschild benutzen, ohne sie wirklich zu leben. Es müssen Beratungsstellen her, die die Forderungen in die Politik tragen; Machtpositionen müssen umverteilt werden. Es kann nicht sein, dass erst etwas passiert, wenn sich die Betroffenen selber durch- und abgekämpft haben.